OKR in der Praxis – Im Gespräch mit Karolin Große Boes von ALDI Süd

OKRs werden meist in Teams geschrieben und verhandelt. Ob innerhalb eines Führungsteam/ strategischen Projektteams z.B. zur Formulierung von übergreifenden OKR-Sets oder innerhalb eines Produktteams. Kurzum: Über OKRs wird nicht alleine entschieden, sondern Menschen einigen sich zusammen auf eine Ausrichtung und einen Fokus. Damit ist es auch essentiell, dass in diesen Teams und Einheiten psychologische Sicherheit herrscht, damit die Beteiligten aussprechen, was sie denken. In diesem Interview spreche ich mit Karolin von ALDI SÜD über psychologische Sicherheit und OKRs.

Heute im Interview

  • Karolin Große Boes, Scrum Master bei ALDI Süd 
  • ALDI Süd ist einer der größten (Lebensmittel-) Einzelhändler. 
  • Einsatz von OKRs auf agiler Teamebene (5-9 Personen) und skalierter übergeordneter Ebene im Marketing Bereich (70 Personen)

Christina: Welche Bedeutung hat für Dich psychologische Sicherheit im Kontext von OKR?

Karolin: Psychologische Sicherheit ist ein großes Wort. In aller Kürze heißt das für mich, dass wir im Team über Fehler reden und jede:r einzelne sich traut, positive wie negative Dinge anzusprechen. Für mich geht es systemisch betrachtet im Teamkontext um mehr als um das einzelne Individuum. Speziell bei OKR heißt das, dass ich das Team in eine Position bringe, selbst über Ziele zu sprechen, nachzudenken und die Expertise des Teams einzufordern. Dabei ist es wichtig, dass Einzelne Themen ansprechen und dabei keine Konsequenzen fürchten. Gleiches gilt auch für die Organisationsebene. Idealerweise kommen ja 40% der Ziele top-down und 60% bottom-up. Wenn da nicht eine Umgebung geschaffen wurde, die es Teams erlaubt „Fehler“ zu machen und OKR-Sets beispielsweise auch nicht zu erreichen, dann führt das eher zu Angst in den Teams.

 

Christina: Welche Maßnahmen ergreifst du in der Praxis, um psychologische Sicherheit in einem Team zu fördern?

Karolin: Das klassische Instrument für mich ist die Retrospective. Dort reflektieren wir unsere „goldenen Regeln“ und Erfolgsfaktoren. Ebenso hebe ich immer wieder die Bedeutung des „Prime Directives“ hervor. Als Facilitator versuche ich, empathisch zu sein und zu beobachten, ob sich jemand zum Beispiel nicht traut, ein Thema anzusprechen. Je nach Situation kann ich die Person in der Retrospective ermutigen zu sagen, was ihr auf dem Herzen liegt oder ich bespreche das im Anschluss mit dem jeweiligen Teammitglied.

 

Ein weiteres Best Practice Beispiel in diesem Zusammenhang ist ein sogenannter „Failure Day“. Dieser fand an einem Freitag statt, bei dem vom Director bis zum Teammitglied geteilt wurde, was alles ein „fail“ war. Da wurde über Fehler gesprochen und was wir daraus gelernt haben, aber das war das Besondere in einer angenehmen Art und Weise. Wer nicht gleich mit einer größeren Veranstaltung starten möchte, dem empfehle ich im Daily und Retro zu starten. Da können Fehler und Erfolge gleichermaßen gefeiert werden.

 

Am Ende des OKR-Zyklus machen wir selbstverständlich auch eine Retrospektive. Da gab es letztens ein Thema, was von Führungskräften hätten getrieben werden sollen. Eine Führungskraft hat sich hingestellt und gesagt: „we failed“. Die Transparenz und Ehrlichkeit kam  bei den Teams gut an.

 

Christina: Wie können Teammitglieder dazu ermutigt werden, ihre Ideen und Meinungen ohne Angst vor negativen Konsequenzen im OKR-Planning einzubringen?

Karolin: Wir haben einen „Draft-Day“, den wir mit dem Team machen. Bis zu diesem sollen sich alle Teammitglieder schon einmal Gedanken machen, so dass wir konsolidiert auf die Themen schauen können. Meiner Erfahrung kann es hilfreich sein, eher stillere Menschen im Vorhinein separat abzuholen. Beispielsweise erinnere ich technische Rollen, wie zum Softwareentwickler:innen, daran, wie wichtig ihre Sichtweise für das Planning ist. Viel geschieht schon vorab zum OKR-Planning, in einer Art Mini-Onboarding oder im 1:1 Kontext.

Christina: Wie wirkt sich psychologische Sicherheit auf das Engagement der Teammitglieder aus? Messt ihr das? Und wenn ja, wie?

Karolin: Über die Agile Coaches messen wir die Zufriedenheit und Happiness in den Teams. Dies geschieht über einen Fragebogen einmal im Quartal. Wir zielen dabei auf die agilen Werte und Prinzipien ab und schauen, wie diese sich in den Teams entwickeln. Zu bewertende Statements sind beispielsweise: „Ich gebe offen Feedback“ oder „Ich verstehe den Wert, den wir an das Business liefern.“ In den Ergebnissen spiegelt sich dann auch der OKR-Zyklus wider. Wurden zum Beispiel Ziele nicht klar genug formuliert, sehen wir das in den Zahlen.

Ebenso macht es meines Erachtens Sinn, immer wieder in die Metaperspektive zu gehen und Beobachtungsdaten zu sammeln. Dies könnte zum Beispiel über einen Beobachtungsbogen geschehen, den ich als Agile Coach nutze, um mir gezielt Notizen zu machen und deren Ergebnisse ich in regelmäßigen Abständen mit dem Team oder Individuen teilen kann.

 

Christina: Vielen Dank für das Gespräch, liebe Karolin! 

Weitere Interviews gibt es hier auf meinem Blog

 

Nach oben scrollen
Cookie Consent mit Real Cookie Banner