Personal OKR – Im Gespräch mit Nora Pfützenreuter

Nora Pfützenreuter im Gespräch mit Christina Lange über Personal OKR

OKRs auf individueller Ebene anwenden, ist in OKR-Kreisen oft ein rotes Tuch. Schließlich würde das im skalierten Umfeld eher fördern, dass Individuen ihre persönlichen Ziele erreichen anstatt die Umsetzung der Teamziele zu forcieren. Aber warum soll der Nutzen, den ein Team mit und durch OKR hat, nicht auch auf persönlicher Ebene funktionieren?  Im Gespräch mit meiner ehemaligen Kollegin Nora sind wir deshalb in das Thema Personal OKR eingetaucht. Aus gutem Grund: Nora hat in den vergangenen Monaten ein Experiment dazu durchgeführt.

Heute im Interview

  • Nora Pfützenreuter, Organisationentwicklerin und systemische Coach 
  • Diverse Stationen im Bereich Scrum, Agile & OKR bei bei Zurich und METRO
  • Selbstständig seit 2021: www.noracoacht.de
  • In diesem LinkedIn Post hat Nora einen kleinen Einblick in ihr “Personal OKR Experiment” gegeben.

Christina: Wie kam es dazu, dass du Personal OKR für dich entdeckt hast?

Nora: Ich bin auf Personal OKR gestoßen, als ich in einer Art Sommerloch steckte und nach einer Frühjahrsreise nicht viele Aufträge hatte. Ich hatte jede Menge Gedanken und Ideen im Kopf, vor allem in Bezug auf die Akquise. Es fühlte sich an, als würden tausend verschiedene Gedanken in meinem Kopf herumschwirren, und ich suchte nach einer Möglichkeit, all das in eine klare Struktur zu bringen und mich besser auszurichten.

 

Zudem hatte ich gerade bei einem meiner Klienten eine Einführung in OKR begleitet und war wieder einmal begeistert von den positiven Effekten, die das auf deren Arbeitsweise hatte. Das hat mich wirklich inspiriert, es auch bei mir selbst auszuprobieren, um zu sehen, wie es mir persönlich helfen könnte. Also dachte ich: „Warum eigentlich nicht?”

 

 

Christina: Was hast du daran als wirksam für dich erlebt?

Zum einen hat mir die Struktur und die Ausrichtung sehr geholfen. Ich war mir nun viel bewusster darüber, wie meine Gedanken und Aktivitäten zu meinen Zielen beitragen können. Es half mir, klarer zu sehen, wohin ich mich bewegen wollte.

 

Zweitens hat es mich motiviert, die einzelnen Initiativen umzusetzen, weil ich genau wusste, was das Endziel war. Es war so, als ob ich meine Ziele buchstäblich vor Augen hatte. Zum Beispiel half mir die Konkretisierung mit Zahlen enorm. Als ich mir vornahm, 10 LinkedIn-Kontakte anzuschreiben, und nach 6 dachte, „Oh, das reicht vielleicht“, sah ich auf meinem OKR, dass ich noch 4 weitere erreichen wollte. Das hat mich zusätzlich angespornt, dranzubleiben und die volle Zielvorgabe zu erreichen.

 

Drittens gaben mir meine OKR ein Gefühl der Kontrolle und Selbstwirksamkeit. Ich konnte immer sehen, was ich bereits erreicht hatte und was noch getan werden musste. Das half mir, auch in schwierigen Phasen am Ball zu bleiben und nicht die Motivation zu verlieren.

 

Schließlich half mir “Personal OKR”, meine konkreten Aktivitäten für die Wochen und Tage zu organisieren und zu priorisieren. Ich legte Zeitblöcke in meiner Woche fest, um mich auf die einzelnen Initiativen zu konzentrieren, und konnte so meine Zeit effizienter nutzen und mich besser auf die wichtigsten Aufgaben konzentrieren. Es war wirklich wie ein praktischer Leitfaden, der mir geholfen hat, meine Ziele systematisch zu erreichen.

 

Christina: Wie sieht dein OKR-Rhythmus aus?

Nora: Mein OKR-Rhythmus erstreckt sich über einen Zeitraum von 3 Monaten. So habe ich meinen OKR Prozess konkret gestaltet:

  • Planning (Start): Zu Beginn des Zyklus beginne ich mit der Planung meiner OKR und den dazugehörigen Initiativen. Das ist die Phase, in der ich meine ersten Ideen sammle und aufschreibe.
  • Board mit „Sales Funnel“: Als nächstes erstelle ich ein Board, auf dem ich meinen „Sales Funnel“ verfolge. Dies hilft mir, meine Fortschritte zu überwachen und sicherzustellen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
  • Check-Ins (unregelmäßig/on demand): Während des Zyklus führe ich unregelmäßige Check-Ins durch. Dabei aktualisiere ich meine Boards, indem ich abgeschlossene Initiativen abhake, neue Ideen hinzufüge und einen Blick auf die Zahlen werfe, um meinen Funnel zu aktualisieren. Diese Check-Ins sind flexibel und richten sich nach meinem Bedarf.
  • Reflexion am Ende des Zyklus: Am Ende des 3-monatigen Zyklus nehme ich mir bewusst Zeit für eine umfassende Reflektion. Dabei führe ich ein Review und eine Retro durch. Im Review frage ich mich, wo ich mit meinen OKR und Key Results gelandet bin und was ich im Laufe des Zyklus gelernt habe. Im Retro-Teil denke ich darüber nach, wie ich OKR für mich genutzt habe, was gut funktioniert hat und was ich in Zukunft ändern möchte.

Ergebnis meiner Erfahrungen ist die Erkenntnis, dass die Visualisierung meiner OKR und Fortschritte enorm wichtig ist. Ich arbeite gerne mit schön gestalteten Boards, die ich immer im Blick habe. Dies bringt mir Freude und motiviert mich zusätzlich.

Check-Ins könnte ich regelmäßiger durchführen und ich kann mir vorstellen, dass dies auch schön und wirkungsvoll ist, mit anderen „OKR Anwender:innen“ gemeinsam zu tun. Gemeinsame Check-Ins bieten die Möglichkeit, sich gegenseitig zu inspirieren, anzuspornen und zu unterstützen, was zu mehr Engagement führt. Es ist eine großartige Möglichkeit, von anderen zu lernen und sich gegenseitig zu motivieren. Ich plane hier ein Angebot für Interessierte zu schaffen. Wer Interesse hat, gerne melden. 

 

 

Christina: Was hat dir konkret bei der Umsetzung geholfen? Welche Tipps und Tricks hast du? 

Nora: Da gibt es natürlich einige. Die Wichtigsten für mich waren: 

 

  1. Physisches Whiteboard: Ich verwende ein physisches selbstklebendes Whiteboard, das an einer Wand in meinem Arbeitszimmer angebracht ist. Hier notiere ich meine OKR mit den jeweiligen Key Results und den dazugehörigen Initiativen. Dies ermöglicht mir eine klare und sichtbare Darstellung meiner Ziele und Fortschritte. Neben diesem Whiteboard habe ich auch ein „Tracking/Funnel-Board“ mit einer Breite von etwa 1,5 Metern, auf dem ich meinen Fortschritt verfolge.

 

  1. Kanban-Board: Um meine Ziele zu verfolgen, nutze ich ein Kanban-Board. Dieses Board besteht aus verschiedenen Spalten, darunter „Backlog“ für Aufgaben, „To Do Diese Woche“ für die kurzfristigen Ziele und „To Do heute“ für die täglichen Aufgaben. Sobald ich eine Aufgabe abgeschlossen habe, verschiebe ich sie in die „Fertig“-Spalte. Dieses System hilft mir, meine Ziele in kleinere, handhabbare Aufgaben aufzuteilen und den Fortschritt zu verfolgen.

 

  1. Explizite Zeit fürs Planning nehmen: Ein entscheidender Schritt ist, sich bewusst Zeit für das Planen zu nehmen. Dabei ist es hilfreich, von groben Ideen zu konkreten OKR zu gelangen. Zuerst sollte man sich darüber klar werden, welche Themen man verfolgen möchte, und dann die OKR formulieren. Dieser Prozess ermöglicht eine klare Ausrichtung auf die Ziele.

 

  1. Bewusstsein für OKR-Qualitätskriterien: Es ist wichtig, sich der Qualitätskriterien von OKR bewusst zu sein und sie zu nutzen. Allerdings sollte man darauf achten, sie nicht übermäßig zu komplizieren. Letztendlich ist entscheidend, dass sich die gesetzten Ziele gut anfühlen und zur Motivation beitragen. Es ist durchaus in Ordnung, die Ziele ein wenig herausfordernd zu gestalten (etwas „stretching“), 

Christina: Wie stehst du zu Personal OKR im Unternehmenskontext? Welche Chancen und Risiken siehst du?

Nora: Im Unternehmenskontext habe ich bisher keine Erfahrung mit “Personal OKR” gemacht. Allerdings sehe ich einige Chancen und Risiken in Bezug auf die Implementierung von persönlichen OKR im Teamumfeld:

 

Chancen:

 

  1. Integration von Team- und persönlichen Zielen: Personal OKR könnten die Möglichkeit bieten, Team- und persönliche Ziele miteinander zu verknüpfen. Zum Beispiel könnten Team OKR für gemeinsame Ziele und persönliche OKR für individuelle Entwicklungsziele parallel existieren. Dies könnte dazu beitragen, dass persönliche Ziele durch die Arbeit im Team erreicht werden, was letztendlich zu einer Win-Win-Situation führen könnte.

 

  1. Transparenz und Verständnis: Die transparente Kommunikation persönlicher Ziele im Team könnte zu einem besseren Verständnis der individuellen Prioritäten und Entwicklungsbereiche führen. Dies kann dazu beitragen, dass Teammitglieder sich gegenseitig besser unterstützen und ihre Arbeit effektiver gestalten können.

 

Risiken:

 

  1. Konfliktpotenzial: Es besteht das Potenzial für Konflikte zwischen Teamzielen und persönlichen Zielen, da Zeit und Ressourcen in beide investiert werden müssen. Wenn diese Ziele nicht gut integriert sind, könnten Konflikte darüber entstehen, wie die begrenzten Ressourcen am besten genutzt werden.

 

  1. Individuelle Unterschiede: Nicht alle Mitarbeiter haben die gleichen persönlichen Ziele oder Entwicklungsbereiche. Es kann herausfordernd sein, eine Methode zu finden, die für alle im Team funktioniert, da die Bedürfnisse und Prioritäten variieren können.

 

Insgesamt denke ich, dass die Einführung von Personal OKR im Unternehmenskontext sorgfältig durchdacht und implementiert werden sollte. Die Integration von Team- und persönlichen Zielen kann von Vorteil sein, erfordert jedoch klare Kommunikation und die Fähigkeit, Konflikte zu bewältigen. Transparenz und Offenheit sind dabei entscheidend, um ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen.

 

Christina: Was rätst du Menschen, die mit Personal OKR starten wollen? 

Nora: Wenn jemand mit Personal OKR starten möchte, habe ich einige Ratschläge:

 

Für Anfänger:

 

  1. Nicht vom „großen Rahmenwerk“ abschrecken lassen: OKR kann zu Beginn komplex wirken, aber es ist wichtig zu erkennen, dass es auf das Wesentliche ankommt. Konzentriere dich darauf, was OKR wirklich bedeutet, nämlich den Outcome und die Ausrichtung auf Ziele.
  1. Auf das Wesentliche besinnen: Frage dich, worum es DIR bei OKR geht. Welche Auswirkungen möchtest du erzielen? Halte dich an die grundlegenden Prinzipien und versuche nicht, es zu kompliziert zu gestalten.
  1. Möglicherweise Unterstützung von erfahrenen Anwendern suchen: Wenn möglich, arbeite mit erfahrenen OKR-Nutzern zusammen oder lass dich von ihnen unterstützen. Sie können wertvolle Einblicke und Tipps bieten.

Generell ist meines Erachtens wichtig: 

 

  1. Einfach loslegen: Du musst nicht auf den Beginn eines Quartals warten. Du kannst jederzeit mit der Anwendung von OKR starten.
  1. Du benötigst nicht viel Material: Du brauchst keine aufwändige Software oder umfangreiche Dokumentation. Ein einfaches Whiteboard oder sogar Papier und Stifte reichen aus.
  1. Zeiten für Planning, Review und Retro in den Kalender eintragen: Setze dir klare Zeitpunkte für die Planung, die Überprüfung und die Reflexion deiner OKR. Diese Termine sind entscheidend, um den Fortschritt zu verfolgen und Anpassungen vorzunehmen.

Eine wichtige Erkenntnis, die ich gemacht habe, ist, dass OKR auf eine langfristige Strategie oder Vision einzahlen sollte. Wenn du keine klare Vision hast, könnte es hilfreich sein, OKR mit individuellem Coaching zu verknüpfen. Dadurch kannst du dich deiner persönlichen Vision und Strategie annähern und OKR als Werkzeug nutzen, um schrittweise konkrete Ziele zu setzen und deine Strategie zum Leben zu erwecken. OKR ist dafür da, die Umsetzung von Strategien zu unterstützen, und kann gut in diesem Kontext eingesetzt werden.

Christina: Vielen Dank, liebe Nora

 

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